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Verkehrsrecht: „Fahrerflucht? – Da war doch nichts!“

Geschrieben von Andreas Adebahr 
Veröffentlicht am 19. Juni 2023

Wem ist das nicht schon passiert: Beim Einparken kurz nicht aufgepasst und schon hat’s gekracht. Dann schnell ausgestiegen und Glück gehabt: “Da ist ja nichts zu sehen…!”

Wer jetzt wieder einsteigt und weiterfährt, begibt sich in eine trügerische Sicherheit. Allzu oft wird dies beobachtet oder durch Kameras aufgezeichnet. Und die Annahme, dass nichts passiert sei, stellt sich hinterher oft als fataler Irrtum mit weitreichenden Konsequenzen heraus.

Denn der vermeintlich „kleine Parkrempler“ kann nicht nur zu einer Strafe (meistens einer Geldstrafe) und weiteren Kosten führen. Sehr häufig verliert die Verursacherin oder der Verursacher auch ihre/seine Fahrerlaubnis oder erhält ein Fahrverbot und Punkte in Flensburg. Auch der Versicherungsschutz ist gefährdet.

Fahrerflucht? Unfallflucht? Worum geht es konkret? Was ist strafbar?

In der Praxis stellt sich zunächst die Frage, ob die/der Unfallbeteiligte den Unfall visuell (sehend), akustisch (hörend) oder taktil-vestibulär (körperlich spürbar) wahrgenommen hat.

Diese Frage dürfte im Eingangsbeispiel eindeutig mit „Ja“ zu beantworten sein, wenn jemand aussteigt und nachschaut, ob ein Schaden entstanden ist. Vermutlich hat sie/er zuvor also etwas gesehen, gehört oder körperlich gespürt.  Jetzt wegzufahren wäre fatal, denn:

Nach § 142 StGB ist die sogenannte Fahrerflucht oder auch Unfallflucht, die juristisch „unerlaubtes Entfernen vom Unfallort“ heißt, mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bedroht. Dabei kommt es nicht darauf an, wer den Unfall verursacht bzw. verschuldet hat, sondern dass jede/r Unfallbeteiligte am Unfallort verbleiben muss.

Der berühmte “Zettel an der Windschutzscheibe” reicht hierbei nicht aus, um die Verursacherin oder den Verursacher vor einem Strafverfahren zu schützen.

Ist die Höhe des Schadens wichtig? Wann ist mein Führerschein in Gefahr?

Eine zweite und sehr entscheidende Frage ist die Höhe des entstandenen Schadens.

Zwar findet sich in § 142 StGB kein Wort zur Schadenshöhe, jedoch ist diese aufgrund einer anderen Norm des Strafgesetzbuches außerordentlich wichtig: Nach § 69 StGB führt das unerlaubte Entfernen vom Unfallort unter anderem dann zu einer Entziehung der Fahrerlaubnis, wenn entweder ein Personenschaden oder ein bedeutender Schaden an einer fremden Sache (z.B. an einem fremden Fahrzeug) entstanden ist.

Ein solch bedeutender Sachschaden kann nach Rechtsprechung einiger Amtsgerichte bereits bei etwas über 1000 € vorliegen. Und diese Grenze ist heutzutage schnell erreicht.

Steht nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft fest, dass die Unfallverursacherin bzw. der Unfallverursacher den Unfall bemerkt hat und trotzdem weggefahren ist, obwohl ein bedeutender Sachschaden entstanden ist, wird sie in der Regel sogar unverzüglich nach § 111 a StPO die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis beim zuständigen Amtsgericht beantragen.

Stimmt das Gericht dem Antrag zu, verliert die/der Betroffene bis zum Abschluss des Verfahrens und ggf. darüber hinaus unmittelbar ihre/seine Fahrerlaubnis.

Zwar kann hiergegen Beschwerde eingelegt werden, die ist jedoch sehr häufig erfolglos und verzögert das Strafverfahren ggf. zusätzlich.

Wie lange ist mein Führerschein weg?

Die Entziehung der Fahrerlaubnis, ob sie nun vorläufig erfolgt ist oder erst später durch ein Urteil oder einen Strafbefehl, ist für die meisten Betroffenen die einschneidendste Rechtsfolge des Vergehens.

Der Verlust - genauer gesagt, die damit verbundene Sperre zur Wiedererlangung der Fahrerlaubnis - kann zwölf Monate und länger andauern. Die Mindestdauer beträgt sechs Monate, sofern die Rechtsmittel erfolglos sind. Die Gesamtdauer ist von den Umständen des Einzelfalles abhängig und liegt im Ermessen des Gerichtes.

Aber auch wenn die Fahrerlaubnis nicht entzogen wird, z.B. weil der Schaden geringer als 1.000 € war, drohen dennoch Punkte in Flensburg und ein Fahrverbot von bis zu 3 Monaten.

Zahlt meine Haftpflichtversicherung den fremden Schaden?

Aber damit nicht genug: Wird festgestellt, dass ein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort vorliegt, muss die Kfz-Haftpflichtversicherung den Schaden in der Regel zwar trotzdem ausgleichen, wird aber Regress in Höhe von bis zu 5.000 € bei ihrer Versicherungsnehmerin oder ihrem Versicherungsnehmer nehmen, also den Ersatz des Schadens am anderen Fahrzeug von ihr oder ihm verlangen.

Dies kann dazu führen, dass neben der Strafe und der Fahrerlaubnisentziehung auch noch der Schaden am anderen Fahrzeug aus eigener Tasche bezahlt werden muss.

Wie verhalte ich mich also korrekt?

Es ist daher in keinem Fall zu empfehlen, einen Unfallort voreilig zu verlassen, auch wenn man der Meinung ist, es sei nichts passiert. Die reine Wahrnehmung des Unfalls spricht in der Regel schon dafür, dass ein Schaden entstanden ist, auch wenn vielleicht nur in geringfügiger Höhe.

Richtigerweise verbleibt man stets am Unfallort und wartet, bis der Halter des anderen Fahrzeuges zurückkehrt.

Nach einer angemessenen, erfolglosen Wartezeit, die nach allgemeiner Auffassung nicht unter 30 min liegt, kann die Polizei hinzugezogen werden, um den Unfall aufzunehmen. Erst nach polizeilicher Unfallaufnahme darf man sich vom Unfallort entfernen. Zwar könnte man im Ausnahmefall auch zur Polizei fahren, davon ist jedoch aus anwaltlicher Sicht in der Regel abzuraten, wenn die Polizei dazu nicht am Telefon ausdrücklich auffordert.

Sie sind betroffen?

Falls Sie sich im Eingangsbeispiel wiederfinden, wenden Sie sich umgehend an eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt, die/der auf das Verkehrsrecht/Strafrecht spezialisiert ist. Nur so können Sie frühzeitig Einfluss auf das Strafverfahren nehmen und gegebenenfalls vermeiden, dass Ihnen die Fahrerlaubnis ohne Vorankündigung entzogen wird.

Bitte denken Sie unbedingt daran, dass sie als Beschuldigte oder Beschuldigter eines Strafverfahrens gegenüber der Polizei nicht zur Aussage verpflichtet sind. Sie sollten im Zweifel lieber gar nichts sagen, ohne vorher rechtlichen Rat einzuholen. Zu häufig reden sich Betroffene bei der Polizei um Kopf und Kragen, ohne sich der Reichweite bewusst zu sein.

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Geschrieben von

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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